Gernot Ensgraber

„Demokratische Spielregeln gelten auch für Boris Johnson!“

24.09.2019

Respekt - Supreme Court

Wenn man die letzten Wochen das parlamentarische Gebaren in England verfolgt hat, konnte man an dieser parlamentarische Demokratie in England, dem Mutterland der Demokratie, verzweifeln und sich verwundert die Augen reiben.

Aber diese Entscheidung des Supreme Court, dem obersten Gericht Englands, dem Macher Johnson nicht alles durchgehen zu lassen, verdient unser aller Hochachtung. Lady Brenda Hale und ihre Richterkollegen haben einstimmig geurteilt, dass der Zwangsurlaub des Parlamentes nicht zulässig ist. Sie haben damit der parlamentarischen Demokratie einen großen Dienst erwiesen und Boris Johnson eine gewaltige Niederlage beigebracht. Großartig!

„Boris Johnson - machtbesessener Populist oder Wie kann der Systemwechsel gelingen?“

23.09.2019

Seit Boris Johnson Prime Minister in Großbritannien ist, hat er sich nicht nur völlig entgegen der tradierten demokratischen Spielregel verhalten, sondern lässt auch durchblicken, dass ihn die Entscheidungen des Parlamentes nur marginal tangieren: So hat er mehrere Abstimmungen im Parlament verloren, ohne dass er zurückgetreten ist; so hat er das Parlament in der entscheidenden Phase der Brexit-Verhandlungen in Zwangsurlaub geschickt mit der Begründung, die Parlamentseröffnung vorbereiten zu müssen; so hat er Mitglieder der eigenen Fraktion, die gegen ihn stimmten, aus der Partei ausschließen lassen und er hat angedeutet, dass er das Gesetz, das einen No-Deal-Brexit ausschließen soll, nicht befolgen wird.

Doch Johnson glaubt im Recht zu sein, weil die Mehrheit 2016 in einer Volksabstimmung für den Brexit stimmte, und er sich dieser basisdemokratischen Entscheidung verpflichtet fühlt. Außerdem glaubt er bei Neuwahlen die Mehrheit hinter sich zu haben und daher ein neues Mandat für seine Brexit-Politik zu bekommen. Mit dieser Haltung spielt er das Parlament, als wichtigste Institution der parlamentarischen Demokratie gegen den vermeintlichen Volkswillen aus, den er glaubt in seinem Sinne beeinflussen zu können. Hier liebäugelt Johnson mit dem basisdemokratischen Modell, das die Abstimmungen des Volkes als die einzige Legitimationsquelle von demokratischen Entscheidungen ansieht, weil ihm eine Schwächung des Parlamentes nützlich erscheint. Aber die Systeme, die sich auf die Legitimation durch den vermeintlichen Volkswillen berufen, entwickeln sich meist zu autoritären und autokratischen Regimen, in der die Opposition unterdrückt und die Menschenrechte missachtet werden. 

Es stellen sich jetzt also zwei Fragen:

  1. Warum will Johnson das bewährte parlamentarische Demokratiemodell schwächen, indem er das Parlament ausschaltet?
  2. Warum glauben große Teile der englischen Bevölkerung, dass in einer globalisierten Welt ein Einzelstaat besser als eine Staatengemeinschaft überleben kann und folgen Johnson auf seinem Weg, die parlamentarische Demokratie zu schwächen?

Zu 1.

Über Johnsons Beweggründe lässt sich nur spekulieren. Als gut ausgebildeter Politiker scheint er hier der Gefahr zu erliegen, sich als populistischer Führer zu präsentieren, der sich wie Trump als Gegner des Establishments profilieren will, obwohl er selbst Teil dieses Establishments ist, um durch seine Machtfülle seine narzisstischen Bedürfnisse nach Macht zu befriedigen. Dabei scheint er sich als genialer Macher profilieren zu wollen, der eine von ihm selbst geschaffene Krise in staatsmännischer Weise meistern will. Damit beabsichtigt er, sich in der Geschichte ein Denkmal zu setzen und auf einer Stufe mit Winston Churchill genannt zu werden, wenn es um die Kategorie der genialsten Herrscher aller Zeiten geht. Damit nimmt er aber das ganze Land in Geiselhaft, weil er glaubt, dass er diese Brexit-Krise nicht nur managen kann, sondern die Dinge auch zum Besseren wenden kann. Johnson kann dann Krisenstäbe einrichten, Notmaßnahmen ergreifen und sich auf Pressekonferenzen als der Staatsmann profilieren, der in die Geschichte eingeht. Das Problem ist nur, dass die Leidtragenden dieser selbst geschaffenen Krise die gesamte Bevölkerung von Großbritannien sind. Aber diese Erkenntnis scheint für die narzisstischen Bedürfnisse des Herrn Boris Johnson kein Problem zu sein. 

Zu 2.

Es scheint so zu sein, dass es weniger rationale Gründe sind, die die Entscheidung von Teilen der Bevölkerung Großbritanniens prägen, die EU zu verlassen, sondern eher emotionale Gründe, die den Ausschlag geben. Große Teile der Bevölkerung fühlen sich durch den Globalisierungsprozess verunsichert und abgehängt und dabei von der Politik nicht mehr wahrgenommen und unterstützt. Sie träumen von Zeiten, als England noch die Welt beherrschte, und glauben daher den Populisten, die ihnen wieder goldene Zeiten versprechen, wenn nur die schnöden Fesseln der EU endlich fallen würden. Diese Populisten knüpfen auch ganz bewusst an die Erfahrungen aus dem 2. Weltkrieg an, als der Heroismus der Briten letztendlich gegen Hitler siegte und sie als Gemeinschaft gegen den aggressiven Feind zusammenstanden. Und heute ist der Feind, der Großbritannien hindert, wieder eine Großmacht zu sein, die EU. Aber ökonomisch, außenpolitisch und auch energiepolitisch und gesellschaftspolitisch wäre Großbritannien in der EU stärker, als wenn die Briten abseits stünden. Aber diese rationalen Argumente scheinen zumeist bei den Älteren nicht zu fruchten, denn diese „Wir-schaffen-das“-Mentalität, wenn wir alle an einem Strang ziehen, lässt alle Schwierigkeiten nach dem Austritt aus der Staatengemeinschaft ganz klein erscheinen. Es fehlt dabei auch an stabilen Selbstwertgefühlen, die durch angemessene Wertschätzung entstehen, um gegenüber solchen Kunstgriffen der Populisten immun zu sein.

 

„SUV - Damit ich mich besser fühle ...“

13.09.2019

Da stehen sie wieder, blank poliert und aufgehübscht, geschickt beleuchtet und optimal präsentiert: Die SUV (Sport Utility Vehicles) auf der IAA in Frankfurt. Und sie erfreuen sich ungebrochener Zustimmung, sei es in den USA, in China oder auch in Deutschland.

Diese ursprünglichen Geländewagen scheinen ein weltweites emotionales Bedürfnis zu befriedigen, denn rational lässt sich dieses gestiegene Kaufinteresse kaum erklären. Zumal sich die Fachleute einig sind: SUV sind teuer in der Anschaffung und im Verbrauch, sind ökologisch durch CO2-Ausstoß und Rohstoffverbrauch eine Katastrophe, verstopfen Innenstädte und Parkplätze und sind im Unglücksfall eine gepanzerte Gefahr für den Gegner. Ernsthaft kann keiner behaupten, dass rationale Gründe für eine Kaufentscheidung eines SUV ausschlaggebend seien, es sind Gefühle und Emotionen, die durch diesen Typ Auto befriedigt werden. Zwar werden Bequemlichkeit, Übersichtlichkeit und Sicherheit als Argumente genannt, aber der eigentliche Grund ist, dass man höher sitzt, wie auf einem Thron und auf die anderen herabschauen kann. Das signalisiert Überlegenheit und befriedigt das Gefühl nach Wertschätzung, denn der SUV symbolisiert auch die finanzielle Potenz und durch sein bulliges Aussehen die Kraft und Indvidualität des Besitzers.

Diese Großlimousinen versprechen also dem Besitzer, dass er sich überlegen fühlen kann und die anderen nicht braucht. Er kann seine Bedürfnisse nach Anerkennung befriedigen, obwohl die Kosten für Umwelt und Gemenischaft hoch sind. Damit liegt er ganz im Trend zu einer immer narzisstischer werdenden Gesellschaft, in der nur noch das Individuum zählt und das Gemeinschaftliche auf der Strecke bleibt.

Eindämmen kann man diesen Trend nicht wirksam durch Vorschriften und Verbote. Er erledigt sich einmal von selbst: Wenn nämlich immer mehr Menschen einen SUV aof Kosten der Umwelt und der nachwachsenden Generationen fahren, entfällt das Besondere und das Bedürfnis nach positiver Beachtung wird nicht mehr ausreichend befriedigt. Eine sinnvollere Lösung wäre, bei den Menschen durch Bildung und Beratung das Selbstwertgefühl zu steigern und das Bedürfnis nach sozialer Anerkennung durch politische und gesellschaftliche Maßnahmen zu stillen, damit sie nicht mehr so leicht durch diese vermeintliche Wertschätzung manipuliert werden können. Aber dies bleibt eine immerwährende Aufgabe, die Sisyphos-Charakter hat.

„Motivation zum Thema "Aktuelle Politik"“

07.09.2019

In den vielen Jahren meiner pädagogischen Arbeit als Lehrer, Schulleiter und jetzt personzentrierter Berater (GwG) bin ich immer von dem Grundsatz ausgegangen, dass sich Menschen durch Vernunft und Argumente vom "Richtigen" überzeugen lassen. Diese Grundannahme hat im Laufe der Zeit aber immer mehr Erschütterungen erfahren, weil doch schmerzhaft die Erkenntnis durchbricht, dass es eher die Emotionen und Gefühle sind, die das Handeln der Menschen bestimmen und beeinflussen.

Ich habe also bisher gedacht und geglaubt, dass durch gute Argumente und wahre Fakten, also durch einen kognitiven Abwägungsprozess, sich die Menschen von der Wahrheit überzeugen ließen und diese damit zur Richtschnur ihres Handelns machen würden. Die Emotionen und Gefühle, die aus Wertschätzung oder aus Mangel an Wertschätzung entstehen können, haben jedoch mehr Bedeutung und müssen stärker beachtet werden, um Verhalten und Handlungsweisen im Kleinen und Großen angemessen und genauer verstehen zu können.

Weil die Menschen durch die neuen gesellschaftlichen und politischen Prozesse verunsichert werden, sich nicht mehr wahrgenommen, anerkannt und ja sogar abgehängt fühlen, lassen sie sich durch Strömungen, die ihnen scheinbar Wertschätzung entgegenbringen, verführen und auch durch erkennbar falsche Fakten nicht von dieser Meinung abbringen.

Besonders folgende Ereignisse haben mich bewogen, mich neben meiner aktiven Beratungstätigkeit jetzt auch intensiver am Meinungsprozess im Internet  zu beteiligen, um die große Bedeutung von Emotionen und Gefühlen für das Handeln der Menschen herauszustellen:

- Die Auseinandersetzung um den Brexit

- Das Erstarken der populistischen Bewegungen

- Der Wahlerfolg der AfD in Brandenburg und Sachsen

Mensch
Balance
Orientierung